
AT-BIO-401
Österreich - Landwirtschaft

Worum geht's
Seit jeher gilt mein Interesse extensiver Landwirtschaft mit Schwerpunkt Weidehaltung. Diese Determinante bedingt in unserer Region, sich von konventioneller landwirtschaftlicher Arbeitsmethodik auf neues, bei uns unbekanntes Terrain zu wagen.
Die richtigen Professionisten auf diesem Gebiet findet man dabei in den großen deutschen Wander- und Hüteschäfereien oder angelsächsischen Schaffarmen. In diesen Regionen handelt es sich speziell in der Schäferei um ein Kulturgut, welches über Generationen tradiert wurde. Speziell eine gelungene Arbeit mit den wichtigsten Helfern, den Hütehunden, verlangt in unserer Kulturlandschaft höchsten Einsatz. Eine romantische Verklärung des Klischees vom Schäfer oder öffentlichkeitswirksame Attitüden liegen mir aufgrund meines praktischen Blickes auf das Thema fern.
Die ganzjährige Weidehaltung mit Schafen ist aus ökologischer und auch wirtschaftlicher Sicht eine interessante Betriebsform, da bei entsprechender Umsetzung so wenig Ressourcen wie möglich vergeudet werden und möglichst viele ökologische Synergien genutzt werden können. So weiden die Schafe während der Vegetationsperiode auf absolutem Grünland und wechseln im Herbst auf die Ackerzwischenfrüchte um dort den Winter zu verbringen.
In der Praxis bedeutet dies, dass unsere Tiere (Meatlinc aus England und Lleyn aus Irland) den gesamten Jahresverlauf (bis auf die Zeit der Ablammung) im Freien bei Wind und Wetter verbringen. Es werden nur kranke oder konditionsschwache Tiere während des Winters am Hof aufgestallt.
Ich freue mich, dass in unserer Region diese Form der Schafhaltung vor allem bei jungen Menschen immer mehr Anklang findet und eine sinnvolle berufliche Perspektive in der Landwirtschaft bietet.
Andreas Kettl

Sinn & Unsinn in der Schafhaltung
Um über Sinn und Unsinn in der Schafhaltung zu schreiben, muss zunächst ein wenig ausgeholt und ein Blick auf die (österreichische) Tradition der Schafhaltung gemacht werden:
In Österreich kommt die Tradition zur Schafhaltung einerseits aus dem alpinen Bereich, in welchem Schafe früher vorwiegend in Kleinherden zur Gewinnung von Wolle für den Eigenbedarf gehalten wurden. Andererseits gab es auch im österreichischen Flachland schon immer eine Tradition zur Schafhaltung, welche sich auf Kleinwirtschaften beschränkte, die Schafe lediglich zur Pflege von Streuobstwiesen nutzten. Wirtschaftlich waren diese Haltungsformen unbedeutend. Eine professionelle Schafhaltung von Großherden hat demnach in Österreich keine Tradition und beschränkt sich allenfalls auf eine handvoll Ausnahmen.
Im Osten Österreichs wurde der Betriebszweig der Schafhaltung erst ab den späten 1980er Jahren aufgrund agrarpolitischer Umbrüche für ehemalige Milchviehbetriebe eine interessante Alternative. Zu dieser Zeit begannen erste Importe vorwiegend von Merinolandschafen aus dem benachbarten Bayern nach Österreich. Diese Pionierbetriebe waren strukturell (Maschinen, Stallgebäude, Flächen) sehr gut ausgestattet. Die Schafhaltung konnte so durch relativ wenig Aufwand als neuer Betriebszweig adaptiert werden: Die Mutterschafe wurden im Jahresverlauf sehr lange im Stall gehalten und die Lämmer früh von der Mutter entwöhnt und anschließend mit hohen Kraftfutterrationen im Stall fertig gemästet. Die Mutterschafe konnten so schneller wieder unabhängig von der Jahreszeit belegt und so drei Ablammungen in zwei Jahren realisiert werden.
Diese noch immer verbreitete Praxis geht am Sinn der Schafhaltung vorbei und verbraucht unnötig Ressourcen, die durch alternative Betriebszweige effektiver genutzt werden könnten. Der erhöhte Kapitaleinsatz dieser Betriebe muss eben zu Lasten der Tiere durch eine erhöhte Leistung kompensiert werden. Dieser Zugang hat gerade durch die gegenwärtige Klimadebatte keine Zukunft und wird in einer Sackgasse enden.
Für uns stellte diese Praxis aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen nie eine Option dar. Wir mussten somit den Gedanken der Schafhaltung konsequent „neu“ denken: Was bei uns „neu und anders“ ist - die ganzjährige Weidehaltung - ist in anderen Ländern (wie z. B. Neuseeland, England, Irland oder auch Frankreich) „normal“. Was wir heute machen, haben wir nicht erfunden, sondern ist gelebte Praxis in der Schafhaltung. Erfreulicherweise findet diese Form der Schafhaltung auch bei immer mehr Kollegen in Österreich Anklang.
Ein „Lamm from Eck“ verbraucht somit minimale Ressourcen und bereichert unsere Kulturlandschaft. Bei einem „Lamm from Eck“ am Teller, isst man auch das Glück des Tieres mit.


Licht & Schatten unserer Arbeit
Unser beider Lebensweg hätte eine Tätigkeit in der Landwirtschaft zunächst nicht vorgesehen. Und so freuen wir uns fast jeden Tag über die Idylle, die wir uns geschaffen haben. Die Arbeit mit den Schafen und den Hunden, das Arbeiten in (und mit dem Kreislauf) der Natur sowie die Freiheit, die ein Hof in Alleinlage und mit viel Ausblick ins Grün mit sich bringt, kann sehr beruhigend und ausgleichend in einer immer hektischer werdenden Welt sein.
Die Entscheidung für den Hof und die Tiere brachte und bringt uns nach wie vor einen großen Gewinn in unserem Leben. Die Bilder, die wir auf unsere Homepage zeigen, vermitteln vorwiegend diese Idylle. Auch wenn in Summe betrachtet das Positive überwiegt, so gibt es ebenso eine andere Seite: Wo Licht ist, dort gibt es bekanntlich auch Schatten. Hinter der Idylle steckt viel Arbeit und die Tiere machen natürlich an Sonn- und Feiertagen nicht blau. Traurig ist auch immer, wenn Tiere frühzeitig verenden, aber leider gehört dies genauso zum Kreislauf der Natur und ist nicht immer verhinderbar. Ebenso ist die die Klima-Veränderung für uns immer mehr spürbar, denn die lange Trockenheit raubt den Weiden eine wichtige Grundlage für ihr Wachstum, was nicht nur den Böden, sondern auch uns sehr viel Stress bringt.
Kräfteraubend ist ebenfalls, dass wir - so sagen wir oft im Scherz - zu einem der "meistkontrollierten" Betriebe im Land gehören, denn die Sorge um das liebe Vieh zieht auch immer wieder Anzeigen bei Behörden nach sich:
Unsere Rinder und Schafe müssen im Jahresverlauf bei Witterungsextremen mit Bäumen und Senken ihr Auslangen finden. Ställe stehen nur bedingt zur Verfügung.
Das Futterangebot in der Weide ist immer dem Leistungsstadium der Tiere angepasst. Somit kommt es auch vor, dass Mutterschafe nach dem Abspänen der Lämmer im Juli in mageren Extensivwiesen stehen, um „von der Milch zu kommen“ und sich dabei deren Begeisterung naturgemäß in Grenzen hält.
Während der Wintermonate kann es auch sein, dass Schafe tagelang im Schnee stehen und Abliegen. Aus menschlicher Sicht mag dies unbequem sein, Schafe vertragen dies jedoch problemlos.
Schafe können zudem auch mal dickköpfig sein, was der Hund durch einen gezielten Griff am Schaf abmahnt und den beobachtenden Spaziergänger verwundern lässt.
Natürlich kommt es auch vor, dass Tiere auf der Weide verenden oder verletzt sind.
In keiner anderen Haltungsform haben Konsumenten ihren Blick so nah an der Landwirtschaft als in der ganzjährigen Weidehaltung. Hier ist man einer maximalen Transparenz ausgesetzt. Konsumenten reagieren glücklicherweise sehr sensibel und auch kritisch auf die Landwirtschaft. Trotzdem sind wir immer wieder mit Fehlinterpretationen oder Unwissen konfrontiert, welche den Alltag hin und wieder kurzweilig schwierig werden lassen.
Leider hatten wir vor allem in der Anfangszeit schwerwiegende Probleme mit gestohlenen sehr teuren Weidezaungeräten oder nachgewiesenen Sabotageakten an Zäunen und Ställen. Insgesamt können wir jedoch eine äußerst positive Bilanz ziehen und eine sehr wertschätzende gesellschaftliche Resonanz über unser Tun wahrnehmen.

Unsere Schafrassen
Wir halten auf unserem Betrieb die Schafrassen Meatlinc und Lleyn (gesprochen "Klin"). Auf die Lleyns, eine Rasse mit Ursprung in Wales und in Mitteleuropa noch relativ unbekannt, haben wir schon seit mehreren Jahren ein Auge geworfen. Wir haben sie aus Irland importiert und sind dabei beim Import in den deutschsprachigen Raum Pioniere. Die Lleyns sind robust, nicht zu schwer und haben darüber hinaus hervorragende Mutterinstinkte sowie genug Milch um Zwillinge aufzuziehen. Sie sind überdies sehr unkompliziert, was bedeutet, dass sie neben den Routinearbeiten keine zusätzliche Aufmerksamkeit benötigen. Nur so ist es möglich, die ca. 400 Schafe nebenberuflich zu managen.
Die Meatlinc sind vor allem eine Herzensangelegenheit von Andreas. Er ist hier neben einem französischen Kollegen der einzige Züchter dieser Rasse auf dem europäischen Festland. Wir setzen die Meatlinc zur Kreuzung mit den Lleyns ein. Das Meatlinc bringt, ganz verkürzt erklärt, bei den Lämmern den gewünschten Fleischansatz (vor allem im Rücken und in der Keule). Die Meatlinc-Widder werden - was uns sehr freut - mittlerweile auch von großen deutschen Hüteschäfereien nachgefragt.
Helfer auf vier Pfoten
Auf unserem Betrieb sind nur Working Kelpies, eine Rasse die ursprünglich aus Australien stammt, im Einsatz. Wir schätzen ihre Loyalität und ihre Vielseitigkeit. Ihre Zuverlässigkeit macht sie zudem bei der Arbeit mit schwierigem Vieh und großen Herden so besonders.
Alle unsere Hunde werden sowohl an Schafen als auch an Rindern gearbeitet. Sie helfen uns dabei in der Sortieranlage, beim Verladen und sind besonders beim Weidewechsel und beim Ziehen der Herde unabdingbare Helfer. Ohne den Hunden würde unser Betrieb innerhalb weniger Tage zum Erliegen kommen.
Mehr über unsere Arbeit mit den Hunden in
"Flinke Treiber auf vier Pfoten" (Quelle: Landwirt bio, 06/2019, S. 43 - S. 45)
